Globale Wirtschaft zwingt Unternehmen zu evolutionärem Change-Management

Aber schlechtes Veränderungsmanagement bringt mehr Probleme als Lösungen!

In einer Zeit der globalen immer engeren wirtschaftlichen Vernetzung und der sich weiterhin rasch ändernden Märkte werden nur die Firmen überleben, die sich den daraus resultierenden Herausforderungen durch systematischen Wandel und konstruktivem Veränderungsmanagement pro-aktiv stellen.
Daher werden derzeit in vielen Unternehmen neue Change-Management-Vorhaben ins Leben gerufen, die sehr unterschiedliche Ziele verfolgen (Prozessoptimierung, Reorganisation/Restrukturierung, Kostensenkungsprogramme und Produktivitätssteigerung, Fusionen, Sanierung, Personalabbau, usw.).
Schlagworte wie „agiles Management oder agile Führung prägen die derzeitigen Diskussionen, wenn es um die besten Wege geht, den „stetigen Wandel zu managen.

Bei Unternehmen oder Organisationen, denen die Anpassung an sich ändernde Umweltfaktoren fließend gelingt, spricht man auch von evolutionären Organisationen analog evolutionärer Ökosysteme (Frederic Laloux; Reinventing Organizations). Die Frage, welches Organisationsmodell die bestmögliche Anpassung an sich ändernde Umweltrahmenbedingungen ermöglicht, wird derzeit sehr kontrovers diskutiert und soll nicht in diesem Beitrag Thema sein. Ich möchte mich nur auf die grundsätzlichen Aspekte für erfolgreiche Veränderungen in Unternehmen oder Organisationen beschränken.

Alle großen Veränderungsvorhaben haben einen gemeinsamen Nenner: Es geht um Veränderungen in Unternehmen und Organisationen, von denen eine größere Anzahl von Mitarbeitern/Mitgliedern und Führungskräften/Entscheidern betroffen ist. Und so unterschiedlich die Aufgabenstellungen sind, alle bergen in sich sehr hohes Konfliktpotential bzw. Risiken. Sie bedürfen ausgefeilter systematischer Veränderungs- und Verhandlungsstrategien, um beim Verändern und Anpassen der Strukturen nicht zu scheitern.

Aber gerade dieses Konfliktpotential und die Risiken werden von vielen Unternehmen unterschätzt. Veränderungserwartungen lösen bei uns gemischte Gefühle aus: zwischen Ängsten und Befürchtungen einerseits und den Hoffnungen andererseits liegt oft nur ein schmaler Grat. Hierbei sind sicherlich auch die Erfahrungen der Mitarbeiter aus früheren Veränderungsprozessen prägend. Und natürlich sind die Erwartungen vieler Führungskräfte an die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter äußerst hoch, vor allem, wenn es derzeit um die Umsetzung von Agilem Management als Führungs- und Organisationsprinzip geht.

Hinzu kommt, dass es in allen Veränderungsprozessen in Unternehmen Veränderungsopfer (Change Victims) geben wird (es wird über die Änderung geschimpft; Mitarbeiter verweigern die aktive Beteiligung oder verhalten sich destruktiv). Zudem wird es Betroffene (Change Surfers) geben, die in erster Linie darauf bedacht sind, in der Veränderung ihre eigenen Interessen zu wahren. Übrig bleibt eine eher kleine Gruppe von Mitarbeitern, die sich aktiv konstruktiv am Veränderungsprozess beteiligen (Change Designers).

Auf Veränderungen reagieren die meisten Menschen nach einem klar feststellbaren Muster. Charakterisiert ist es durch sieben Phasen:

Phase 1: Schock
Phase 2: Ablehnung/Verneinung
Phase 3: Rationale Einsicht
Phase 4: Emotionale Akzeptanz
Phase 5: Lernen
Phase 6: Erkenntnis
Phase 7: Integration

Viele Change-Projekte sind leider geprägt von wildem, ungeplantem Aktionismus nach dem Motto: “Wir müssen dringend etwas tun!“. Es zeigt sich oft, wie wenig viele Führungskräfte den Begriff des Change-Managements durchdrungen haben, und den Change als Alibi zur Überdeckung eigener Konzeptlosigkeit einsetzen.


Was ist unter Change-Management zu verstehen?

Im Folgenden möchte ich beschreiben, was Veränderungsmanagement beinhaltet und welche sinnvollen Schritte einzuhalten sind, wenn ein Wandel gelingen soll.

„Veränderungsmanagement oder Change-Management umfasst alle Aufgaben,
Maßnahmen und Tätigkeiten, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weitreichende Veränderung – zur Umsetzung von neuen Strategien, Strukturen, Systemen, Prozessen oder Verhaltensweisen – in einer Organisation bewirken sollen.“
(
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Change_Management)

John P. Kotter hat 8 Schritte zur erfolgreichen Durchführung von Veränderungen beschrieben:

  1. Ein Gefühl für Dringlichkeit erzeugen (establishing a sense of urgency)
  2. Eine Führungskoalition aufbauen (creating the guiding coalition)
  3. Vision und Strategie entwickeln (developing a change vision)
  4. Die Vision des Wandels kommunizieren (communicating the change vision)
  5. Mitarbeiter auf breiter Basis befähigen (empowering employees for broad-based action)
  6. Schnelle Erfolge erzielen (generating short-term wins)
  7. Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen einleiten (consolidating gains and producing more change)
  8. Neue Ansätze in der Kultur verankern (anchoring new approaches in the culture)

Veränderungen sind demnach längerfristige Prozesse, die systematisch geplant (z. B. im Rahmen von Projektmanagement) abgewickelt werden sollten.

Es ist notwendig, sich mit möglichen Widerständen aus dem Kreis der betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter strategisch zu beschäftigen, denn die Menschen in den Unternehmen – ihre Teilhabe an den erfolgskritischen Prozessen und Systemen – sind der Schlüssel zum Erfolg. Praktische und praktikable Arbeitsansätze für das erfolgsreiche Change-Management sind deswegen ohne diese Mitarbeiter nicht umsetzbar. Aus der Verhaltenspsychologie wissen wir, dass auch nachvollziehbare erforderliche Änderungen in Systemen (die im Regelfall Verhaltensänderungen erfordern) selbst von motivierten Menschen nicht immer stringent umgesetzt werden.
Aber letztlich ist erfolgreiches Change-Management immer geprägt und abhängig von „evolutionären“, sprich wesentlichen Verhaltensänderungen. Hierbei spielt die intrinsische Motivation für erfolgreiche Veränderungsvorhaben eine entscheidende Rolle.


Wie kann ein Veränderungsvorhaben praktisch abgewickelt werden?

Folgende Schritte sind bei einem erfolgreichen Change-Projekt zu planen und abzuarbeiten:

1. Eindeutige und abgegrenzte Identifikation des Veränderungsvorhabens
Grundsätzlich ist es wichtig, ein klar abgegrenztes Veränderungsvorhaben zu bestimmen.
Viele Unternehmen und Führungskräfte machen hier den Fehler, ein Restrukturierungsvorhaben mit Personalabbau oder Produktivitätssteigerung zu koppeln. Solche komplexen Change-Projekte überfordern jedoch sowohl die Organisation als auch ihre Mitarbeiter.
Vor dem Start muss zunächst die Typologie des Veränderungsvorhabens festgestellt werden. Dabei geht es darum festzustellen, wie das Veränderungsvorhaben seitens der Mitarbeiter erlebt werden kann, eher bedrohlich (bei einer Bedrohung reagieren Menschen meist mit Widerstand) oder eher einsichtig. Das Ergebnis sollte sich in den strategischen Planungen bezüglich der Motivations- und Überzeugungsarbeit wiederfinden.
Letztlich ist eine genaue Analyse der IST-Situation notwendig, um daraus eine „visionäre“ SOLL-Situation zu definieren, die als Grundlage des Auftrags dient. Ich halte es für sinnvoll, Veränderungsvorhaben als Projekte mit einem klaren Projektauftrag und Budget abzuwickeln!

2. Projekt ausrufen
Wie beschrieben sollten Veränderungsvorhaben wegen ihrer meist großen Komplexität im Rahmen eines definierten Projektes abgearbeitet werden.

Im Rahmen der Projektdefinition und Planung sollte unbedingt frühzeitig eine Risikoanalyse bezüglich des Vorhabens durchgeführt werden, um mögliche Risikofaktoren wie Widerstände von Personen oder Betroffenen rechtzeitig zu identifizieren und in die strategischen Überlegungen der Umsetzung einfließen zu lassen.
Alle ermittelten Faktoren müssen nun in ein Umsetzungskonzept eingearbeitet werden, welches vor allem die ermittelten möglichen Widerstände bzw. Widerständler (Change Victims) wie auch Motivationsfaktoren und mögliche Unterstützer (Change Designers) strategisch erfasst.
Des Weiteren sollte ein Konzept erstellt werden, welches die Befähigung der betroffen Mitarbeiter und Führungskräfte im Umgang mit den Veränderungen unterstützen soll. Dies können Workshops oder gegebenenfalls auch Trainings sein, wenn es notwendig erscheint.
Grundsätzlich ist es erforderlich, Menschen in Veränderungsprozessen professionell zu begleiten – auch und gerade im unternehmerischen Wandel!

3. Kommunikationskonzept erarbeiten
Einer der häufigsten Fehler bei Veränderungsprozessen ist ein absolutes Kommunikationsdefizit bezüglich der Hintergründe und Ziele des geplanten Vorhabens sowohl Richtung interne (Mitarbeiter und Führungskräfte) als auch externe Öffentlichkeit. Wenn beispielsweise aus der wirtschaftlichen Lage heraus unpopuläre Maßnahmen wie möglicher Stellenabbau oder Restrukturierungen durchgeführt werden sollen, reagieren viele Unternehmensleitungen eher defensiv in ihrem Kommunikationsverhalten. Sie meinen, damit keinen zu großen Wirbel entstehen zu lassen. Das Gegenteil ist meist der Fall: Keine oder zu wenig Informationen lösen erst recht Ängste und Gerüchte aus, die gelegentlich in „wildeste“ Spekulationen übergehen. Dies schlägt sich schnell in der dann motivationsbedingt geringeren Leistungskraft der Mitarbeiter nieder.

Aus diesen Gründen ist es wichtig, ein taugliches Kommunikationskonzept für das Projekt zu erarbeiten (Mitarbeiter Informationsveranstaltungen, regelmäßige Newsletter an alle Betroffenen, Pressearbeit, usw.).
Mit einem offensiven Kommunikationskonzept können auch Mitstreiter gefunden werden, die schließlich als Unterstützer für den Veränderungsprozess dienen. Ohne offene Kommunikation wird ein Veränderungsprojekt scheitern!

4. Umsetzungsphase
Das als Projekt definierte Veränderungsvorhaben beinhaltet selbstredend auch einen genauen Plan der Umsetzung des Veränderungsprozesses.

Neben dem oben beschriebenen Kommunikationskonzept sind in dieser Phase die vorher ermittelten Risiken und daraus entwickelten Strategien immer wieder auf Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Die Mitarbeiter und Führungskräfte werden gemäß den erarbeiteten Konzepten (Infoveranstaltungen, Weiterbildungsmaßnahmen, usw.) bei ihren Bemühungen, den Veränderungsprozess konstruktiv zu bewältigen und mit zu gestalten, unterstützt und begleitet. Ohne regelmäßige Informationen über den Status der Umsetzungsmaßnahmen und die Erfolge des Veränderungsprozesses werden die Menschen emotional aus einer aktiven Rolle aussteigen.

5. Abschluss
Leider werden viele Change-Management-Projekte nicht richtig zu Ende geführt. Manchmal werden sie von neuen Veränderungen abgelöst, obwohl das alte Change-Projekt noch nicht beendet war. Grundsätzlich sind Veränderungsprozesse, gerade auch, wenn sie aus Sicht der Auftraggeber nicht ganz zu Ende geführt werden sollen, im Unternehmen als abgeschlossen zu erklären.

Nur wenn die Entscheider einen Prozess als beendet erklärt haben, können eine Organisation bzw. die betroffenen Menschen darin sich wieder „befreit“ Neuem zuwenden.
Dies wird leider häufig in Unternehmen vom Management unterschätzt und nicht berücksichtigt. Daher rührt auch die defätistische Haltung vieler Mitarbeiter zu vom Management ausgerufenen Veränderungsprojekten. Die beste Motivation für eine zukünftige aktive Mitarbeit in einem Veränderungsprozess ist die Anerkennung für das Geleistete – selbst wenn nicht alles so gelaufen ist, wie gewünscht!


Und denken Sie daran: Veränderungen kosten Energie … und Zeit!

Ulrich Rohde