Psychopathen und Narzissten in den Führungsetagen?

Wie steht es mit der „Führungsqualität“ in deutschen Unternehmen?

Wenn wir die derzeitigen wirtschaftlichen Erfolge deutscher Unternehmen betrachten, stellt sich vordergründig die Frage nach der „Führungsqualität“ nicht. Aber die nicht abreißenden Skandale z. B. in der Automobilindustrie zeigen, dass in deutschen Unternehmen der wirtschaftliche Erfolg nicht gleichzeitig Ausdruck einer hohen „Führungsqualität“ ist. Ich spreche in meinem Beitrag bewusst von „Führungsqualität“ in Abgrenzung zum Begriff „Managementqualität“.
Erfolgreiche Manager sind nicht zwangsläufig gute Führungskräfte und umgekehrt.

Derzeit ist in den Medien viel über verschiedene Untersuchungen zu lesen, die sich damit beschäftigen, ob nicht viele Manager in Unternehmen psychopathische Merkmale zeigen. Professor Günter Stahl von der Wirtschaftsuniversität Wien hat hierzu eine umfassende Untersuchung durchgeführt. Nach der Auswertung der Daten ist aus seiner Sicht kein einziger der untersuchten Manager im klinischen Sinn ein Psychopath. Er sagt: „Die Theorie vom Psychopathen in der Vorstandsetage, der sein Unternehmen in den Ruin treibt, ist damit widerlegt.“ (http://www.karriere.de/karriere/management/der-ganz-normale-wahnsinn-169115/).

Doch warum gibt es trotzdem so viele Fehleinschätzungen in deutschen Chefetagen mit teilweise gravierenden wirtschaftlichen, manchmal die Existenz des Unternehmens bedrohenden Entscheidungen? Als Unternehmensberater habe ich in den vergangenen 25 Jahren immer wieder erlebt, wie Manager gegen den Rat von internen und externen Experten ihre Sicht der Dinge umsetzten, und zwar mit gravierenden negativen Folgen für ihr Unternehmen.

Auch hierzu liefert Professor Stahls Untersuchung zumindest interessante Hinweise. Viele Manager zeigen deutlich narzisstische Merkmale. Narzissten neigen dazu, sich unfehlbar einzuschätzen und formen oft ein eigenes soziales Umfeld, das nur von unkritischen Ja-Sagern geprägt wird. Donald Trump ist hier ein aktuelles Beispiel. Wenn man sich an die Pressekonferenz seines Kabinetts erinnert, in der alle Minister und Staatssekretäre dem Präsidenten unterwürfige Komplimente machten, so war spürbar, dass hier wohl keiner dem „Chef“ ernsthaft widersprechen wird.

Narzissten sind wenig kritikfähig und das kann zur Gefahr für Unternehmen werden. Einerseits sind Narzissten oftmals durchsetzungsfähiger und machen eher Karriere, gleichzeitig neigen sie dazu, Kritiker als Gegner zu bekämpfen und schaffen damit ein Klima im Unternehmen, in dem konstruktive und offene Diskussionen kaum stattfinden. Eher entsteht in einem solchen Umfeld Demotivation und Frust verbunden mit innerer Kündigung bei den Mitarbeitern.

Offensichtlich sieht die Realität in deutschen Unternehmen bezüglich der „Führungsqualität“ derzeit aus Sicht von Mitarbeitern wirklich nicht gut aus. Nach einer Auswertung des Unternehmensbewertungsportals kununu im Dezember 2017 bemängeln viele Arbeitnehmer eine immer noch zu starke Hierarchie, sowie mangelnde Möglichkeiten der Mitsprache, kaum offene Diskussionen und zu viele Anweisungen von oben (Stichprobe N=300.000). Dies hat Folgen, wie Johannes Prüller, Sprecher des Arbeitgeberbewertungsportals, verdeutlicht: „Von den 13 Kategorien, die abgefragt werden, sind in den zurückliegenden zwölf Monaten lediglich die Dimensionen Karriere und Weiterbildung sowie Kommunikation schlechter bewertet worden“.
Auch die jährliche Gallup-Engagement Index Studie zeigte im Jahr 2017 zum wiederholten Mal, dass das Führungsverhalten einen wesentlichen Einfluss auf Produktivität und Motivation der Mitarbeiter hat. Eine Folge des schlechten und destruktiven Führungsverhaltens ist die innere Kündigung.

Laut Gallup kosten diese inneren Kündigungen die deutsche Wirtschaft jährlich bis zu 105 Milliarden Euro.
In dieser Studie aus 2017 berichten nur 21% der befragten Arbeitnehmer: „die Führung, die ich bei der Arbeit erlebe, motiviert mich, hervorragende Arbeit zu leisten“. Im Umkehrschluss wird also deutlich, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer (79 %) mit der Führungsleistung eher nicht zufrieden ist.

Nach meinen Erfahrungen sind die meisten Führungskräfte nicht in der Lage eine offene und konstruktive Kommunikationskultur mit den Mitarbeitern zu installieren. Heute wird bei der Auswahl der Führungskräfte noch immer der Kommunikationskompetenz viel zu wenig Bedeutung beigemessen. Viele Manager sprechen nur einmal im Jahr (Gallup: 56 %) mit ihren Mitarbeitern über die Arbeit und Leistungserwartung und -erfüllung, immer dann, wenn das System dies im Sinne von Zielvereinbarungen oder den institutionalisierten Mitarbeiterjahresgesprächen erfordert. Es ist traurig, aber wahr, denn das klassische Instrument der Führungskräfteentwicklung hat es nicht geschafft, die Mehrheit der Führungskräfte zu befähigen eine empathische und motivierende Kommunikationskultur mit den Mitarbeitern zu leben. Daher sollte in allen HR-Programmen wesentlich mehr Zeit in die Förderung der kommunikativen Fähigkeiten investiert werden. Hier liegen offenbar große Produktivitätsreserven, die noch nicht gehoben sind.

Viele „Manager“ haben herausragende analytische und konzeptionelle Fähigkeiten und scheitern trotzdem bei der Umsetzung ihrer Ideen. Warum?
Nach meinem Verständnis sind die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale von „Managern“ zu starken „Führungskräften“ die Fähigkeit zur Empathie und die Fähigkeit zur ziel- und ergebnisorientierten Kommunikation. Wenn eine Führungskraft diese beiden Qualitäten mit strategischem Denken verknüpfen und schließlich ebenso eine hohe Umsetzungsquote vorweisen kann, dann spreche ich von „hervorragender Führungs- und Managementqualität“.
Denn nur, wenn Führungskräfte sich mitteilen und im offenen Ideenaustausch mit den Mitarbeitern bleiben, können sie diese überzeugend zu Höchstleistungen motivieren.
Offensichtlich sind die mangelnden Kommunikationsfähigkeiten vieler Führungskräfte eine wesentliche Ursache für die schlechte Bewertung der Führungsqualität.
Das Gute ist: eine offene und wertschätzende Kommunikation ist lernbar.