Zielvereinbarungen – aus Managementsicht immer noch ein „Muss“.

„Ziele nach dem Mond. Selbst wenn du ihn verfehlst, wirst du zwischen den Sternen landen.“ (Friedrich Nietzsche) In letzter Zeit wird wieder viel über Sinn und Unsinn von Zielvereinbarungen diskutiert. Zwei Dinge vorweg:
• Führen mit Zielen hat als Managementinstrument nur wenig mit dem oft einmaligen „klassischen“ Mitarbeiterjahresgespräch zu tun.
• Wenn Sie der Meinung sind, dass „Führen mit Zielen“ in erster Linie ein Kontrollinstrument ist, dann lesen Sie nicht weiter.

Hintergründe

Als Urheber des Konzepts gilt Peter F. Drucker, der amerikanische Managementvordenker des 20. Jahrhunderts. Er hat „Management by Objectives (MbO)“ 1954 als eine Führungsmethode beschrieben, die individueller Initiative und Verantwortung Spielraum und den Anstrengungen eine gemeinsame Richtung gibt, Teamarbeit fördert und die Ziele des Einzelnen mit dem Unternehmenswohl harmonisiert. Ironisch betrachtet könnten die negativen Bemerkungen zur Zielvereinbarung daher kommen, dass viele Menschen schon bei der Formulierung privater Ziele vollkommen überfordert sind, erst recht dann im komplexeren beruflichen Kontext. Ich kenne viele Manager, Geschäftsführer und Vorstände, die bei der Formulierung der Unternehmensziele im Sinne einer umsetzbaren Zielvorgabe versagen.

Die Beispiele von schlecht formulierten Unternehmenszielen

  • „Wir steigern unseren Marktanteil“
  • „Wir liefern optimale Qualität“
  • „Wir steigern unseren Unternehmenswert“
  • „Wir werden erhöhtes Wachstum in den strategisch wichtigen Märkten anstreben“,

 

aus mir bekannten Unternehmen zeigen, dass oft auch verantwortliche Topmanager nicht in der Lage sind, anspruchsvolle quantitative wie auch qualitative Ziele zu formulieren. 
Dies ist jedoch die Voraussetzung für die Umsetzung einer nachvollziehbaren Zielpyramide Top-Down. „Führen mit Zielen“ beinhaltet, dass von der Unternehmensführung (welche die übergeordneten Unternehmensziele und strategische Grundkonzeption festlegt) ausgehend die Ziele Top-Down auf die untergeordneten Organisationseinheiten (Bereiche, Abteilungen, usw.) „herunter gebrochen“ werden. Zielvereinbarungen sind zwischen Führungskraft und Mitarbeiter getroffene verbindliche Vereinbarungen, bei denen ein oder mehrere Ziele oder Aufgaben definiert werden, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden müssen. Vielfach werden Zielvereinbarungen mit Bonuszahlungen gekoppelt.

Kritisches zur Zielvereinbarung


Kritische Stimmen bemerken, dass

  1. MbO hohe Kosten verursacht (die in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen).
  2. individuelle Ziele oft im Widerspruch zu unternehmerischen Zielen stehen (und sich die Egoismen dann durchsetzen).
  3. die unterschiedlichen individuellen (verbunden mit Bonuszahlungen) und kollektiven Ziele erhebliches betriebliches Konfliktpotenzial (und damit versteckte Kosten) bergen würden.
  4. kollektive und individuelle Ziele nicht zum Nutzen des Unternehmens harmonisiert werden können.
  5. sowohl die (falsche) Unternehmensstrategie, wie auch das Führungsverhalten und individuelle Interessen der Beschäftigten (der Zweck heiligt die Mittel) die übergeordneten Ziele gefährden können.
  6. MbO in Kombination mit Prämien und individuellen Leistungsanreizen und damit das Festhalten an festgeschriebenen Zielen das Drauflosoptimieren isolierter Größen fördert und neue kreative Bewertungen einer veränderten Wirtschaftswelt verhindert.
  7. Zielvereinbarungsgespräche über die Hierarchien sich oft über Monate hinziehen.

Natürlich klingen diese Faktoren im ersten Moment sehr kritisch und sind bei einer Bewertung der Zielvereinbarung auch mit in Betracht zu ziehen. Aber welche anderen wirksamen Alternativen „zum Führen mit Zielen“ möglich sind, das beschreiben die Kritiker nicht.

Warum trotzdem Führen mit Zielen zukunftsfähig ist

Schon aus dem Umgang mit Kindern wissen wir, dass die Erklärung „übergeordneter Ziele“ die Bereitschaft erhöht, auch unangenehme Aufgaben zu erledigen. Es geht eben um die Erkenntnis eines „höheren Sinns“ in einer Aufgabenstellung!
Auch beim Sport sind sowohl individuelle als auch Mannschaftsziele wichtig für die Entwicklung einer Strategie und von abgestimmten Maßnahmen zur gemeinsamen Zielerreichung als Team. Ohne ein Ziel ist auch kein individueller Weg zu definieren.

Und in diesem Zusammenhang ist das „Führen mit Zielen“ im Arbeitsalltag zu verstehen. Unternehmen, in denen die Belegschaft „ziellos“ unterwegs ist, verursachen hohe Kosten, da vielfach „Blindleistungen“ mangels Absprache und Systematik erzeugt werden. Es gibt auch keine glaubwürdige Untersuchung, die nachweist, dass mit Bonuszahlungen gekoppelte Zielvereinbarungen tatsächlich die Erreichung der kollektiven Ziele gefährden (so wenig, wie nachgewiesen ist, dass Bonuszahlungen grundsätzlich die Leistungsbereitschaft und Zielerreichung garantieren).

Aus meiner Sicht sprechen deshalb einige Faktoren für den Nutzen eines systematischen, auf die Kultur und Verhältnisse des Unternehmens abgestimmten individuellen Zielvereinbarungssystems. Intrinsische Motivation ist einer der Treiber für die individuelle Leistungsbereitschaft. Motivation wird aber hauptsächlich durch das Führungsverhalten und die Sinnhaftigkeit der Aufgaben (weniger durch monetäre Aspekte) erzielt. 
Und in diesem Zusammenhang hat das Führen mit Zielen seine Stärken.
Wer an der Formulierung der eigenen Ziele beteiligt ist, wird sich stärker für das Erreichen dieser Ziele engagieren. Der zunehmende globale Wettbewerbs- und Innovationsdruck führt auch zu immer stärkerer Dezentralisierung und Spezialisierung bzw. zu größeren Aufgabenfeldern und Verantwortungsbereichen der Mitarbeiter, was aber auch seitens der Führungskräfte wegen der zunehmenden Führungskomplexität die Beherrschung des situativen Führungsstils voraussetzt. Auch in diesem Zusammenhang kann ein professionelles und effizientes Zielvereinbarungssystem die Führungskräfte unterstützen.

Erfolgsfaktoren für ein Zielvereinbarungssystem

Klare Unternehmensziele
Die obersten Ziele müssen für alle Mitarbeiter transparent und nachvollziehbar formuliert sein. Es sollte eine Mischung zwischen quantifizierten und qualifizierten Zielen geben.

Offene und systematische Kommunikation sicherstellen
Grundsätzlich setzt das Gelingen der „Führung mit Zielen“ eine neue Form einer offenen Kommunikations- und Vertrauenskultur im Unternehmen voraus. Nur so können beispielsweise auch die oben beschrieben Zielkonflikte kommunikativ gelöst werden.

Management als Vorbild
Wenn die Führungskräfte nicht das Führen mit Zielen vorleben, wird diese Methode keine „Überlebenschance“ im Unternehmen haben. Führungskräfte müssen sich ihrerseits verpflichten das System zu leben und zu unterstützen. Ziele müssen die Basis der alltäglichen Führungsarbeit sein und dürfen nicht als lästiges Anhängsel aufgefasst werden.

Gemeinsames Verständnis von MbO
Im Führungskreis muss durch Diskussion ein gemeinsames Verständnis bezüglich „Führung mit Zielen“ erreicht werden (leider wird diese Diskussion oftmals versäumt).

Verantwortung delegieren
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Dezentralisierung von Verantwortung. Je mehr operative und strategische Verantwortung in die untergeordneten Bereiche delegiert wird, um so mehr besteht die Chance, dass die jeweilig Verantwortlichen auch die richtigen Antworten auf die Herausforderungen des Marktes finden und umsetzen. Der „Weg zum Ziel“ sollte in der persönlichen Verantwortung liegen.

Abgestimmte Zielhierarchie
Die Ziele des Unternehmens müssen Top-Down mit den Verantwortlichen aller Unternehmensbereiche heruntergebrochen und kommuniziert werden. Zusätzlich müssen auch die Unternehmensbereiche untereinander an den Schnittstellen ihre Ziele gegenseitig kommunizieren („cross-functional“).

Ziele versus professionelles Ressourcenmanagement


Die meisten Ziele sind nur durch den Einsatz von Ressourcen erreichbar. Deshalb müssen die Ziele im Unternehmen auch bezüglich verfügbarer Gesamtressourcen (Sachmittel und Personalkapazitäten) abgestimmt werden.

Richtige Ziele formulieren

Hierfür ist der SMART-Ansatz hilfreich.
SMART =
Spezifisch (klar und eindeutig);
Messbar (Mischung von quantitativen und qualitativen Zielen);
Akzeptiert (Ziele müssen gemeinsam formuliert und abgestimmt werden);
Realistisch (Ziele müssen erreichbar sein, Herausforderung ist als Anreiz wichtig, Unerreichbarkeit demotiviert);
Terminiert (klare Terminvorgaben und Kontrolle)

Umsetzung der Zielvereinbarungen nachhalten

Systematische Zielvereinbarungen müssen Thema im Management bleiben. D. h. die Ziele müssen bezüglich des Umsetzungsgrades im Rahmen der Managementmeetings regelmäßig berichtet werden.

Klare Trennung von Zielvereinbarung und Mitarbeitergesprächen

Zielvereinbarungen sind auf Führungsebenen sinnvoll! Das individuelle Herunterbrechen auf die operative Mitarbeiterebene sollte innerhalb eines systematischen Mitarbeitergesprächs passieren. Denn in diesen Gesprächen werden die mit der Führungskraft vereinbarten Ziele in individuelle Aufgaben umformuliert und delegiert.

Fazit:

Zielvereinbarungen sind immer noch oder gerade heute in der zunehmend komplexer werdenden Arbeitswelt eine sinnvolle Führungsmethode. Allerdings muss so ein MbO-System auf die Unternehmenskultur abgestimmt werden.
Ziele dienen zur Reflexion des eigenen Könnens und der Vorgehensweise. In meiner Bewertung geht es gar nicht immer um die „reine“ Zielerreichung, sondern es geht auch im modernen Ansatz darum, dass eine kritische Betrachtung nicht erreichter Ziele oftmals neue Chancen für Unternehmen bietet. Die Diskussion über Ziele und daraus folgende strategische Diskussionen über die richtigen Maßnahmen zur Zielerreichung schärfen bei allen beteiligten den Blick für das Wesentliche. Richtige Zielformulierungen sind Mittel zum Zweck und dürfen nicht zum Selbstzweck verkommen.

Für ein Schiff, das seinen Hafen nicht kennt, weht kein Wind günstig. (SENECA)